Gefäßkatheter-assoziierte Infektionen bis zu 70 Prozent vermeidbar

Infektionsraten senken, Patientensicherheit steigern – neue KRINKO- Empfehlungen zum Umgang mit Gefäßkathetern

Bremen/Melsungen. Blutstrominfektionen, die ihren Ursprung in Gefäßkathetern haben,
gehören zu den sechs häufigsten nosokomialen Infektionen. 1 Ihr Anteil könnte deutlich
geringer sein. „Bis zu 70 Prozent der katheterassoziierten Blutstrominfektionen (CABSI)
gelten durch geeignete infektionspräventive Maßnahmen als vermeidbar“, erklärte die
Krankenhaushygienikerin Svenja Liebler, Ingelheim, beim Symposium „Mehr Sicherheit
in Anästhesie und Intensivmedizin – was sollte man wissen?“. Damit solche Infektionen
effektiver vermieden werden können, hat die Kommission für Krankenhaushygiene und
Infektionsprävention (KRINKO) am Robert Koch-Institut ihre Empfehlungen
umfangreich aktualisiert und im Januar 2017 veröffentlicht.2

Eine bedeutende Veränderung der Empfehlungen betrifft die zur Flüssigkeitstherapie,
intravenösen Medikamentengabe, Blutentnahme und Transfusion eingesetzten
periphervenösen Verweilkatheter (PVK). Laut KRINKO solle auf den Einsatz von
Mandrins zum ‚Abstöpseln‘ eines ruhenden PVK ganz verzichtet werden. Begründet
wird diese Kategorie-II-Empfehlung mit einem erhöhten Risiko für Patienten und
Personal. Wie Liebler berichtete, ergibt sich dieses Risiko daraus, dass zur Platzierung
des Mandrins unmittelbar am Katheterhub manipuliert werden muss, ohne dass hier
eine effektive Desinfektion möglich ist. Außerdem seien leicht Kontaminationen sowohl
am Katheterhub als auch im Katheterlumen möglich. Bei großlumigen Zugängen fließe
nahezu immer Blut in den Zugang und aus dem Zugang zurück und an der Spitze des
Mandrins bildeten sich häufig Blutgerinnsel. Jetzt sollte unmittelbar nach Anlage eines
PVK ein steriles Verlängerungs-Set angeschlossen werden, das eine aseptische
Spülung und Blockung des PVKs ermöglicht und mit einem sterilen Stopfen oder
nadelfreien desinfizierbaren Konnektionsventil (NFC) verschlossen werden kann.

Die Rate der PVK-assoziierten Infektionen beträgt im Mittel zwar nur 0,6 pro 1000
Katheterliegetage. Jedoch werde bei bis zu 70 Prozent aller Patienten mindestens
einmal während ihres Krankenhausaufenthalts ein PVK angelegt, erklärte Liebler. Hinzu
kommt, dass im klinischen Alltag die PVK-Anlage und -Pflege mitunter ohne
ausreichende Einarbeitung und Supervision an weniger erfahrene Mitarbeiter delegiert
wird. Daher empfiehlt die KRINKO, einen schriftlichen Standard („PVKPräventionsbündel“)
zu implementieren. Neue Mitarbeiter, aber auch Ärzte oder
Medizinstudenten, sollen nach diesem Standard geschult werden (Kategorie-IBEmpfehlung).
Dazu betonte Liebler, dass die Händehygiene Schwerpunkt jeder
Schulung sein sollte (Kategorie-IA-Empfehlung). Weiterhin gültig ist die Empfehlung,
bei nicht intensivpflichtigen Patienten PVKs gegenüber zentralvenösen Kathetern (ZVK)
bevorzugt einzusetzen, wenn die klinische Situation es erlaubt (Kategorie II).

ZVKs verursachen auf Intensivstationen eine primäre Sepsisrate von durchschnittlich
1,06 pro 1000 Katheterliegetage. Auf peripheren Stationen steigt die Rate auf 2,19 pro
1000 Katheterliegetage. Bei Anlage eines ZVK empfiehlt die KRINKO für die
Hautdesinfektion erstmals bestimmte Wirkstoffe mit Remanenzeffekt: In Deutschland
sind das alkoholbasierte Fixkombinationen mit Chlorhexidin 2 Prozent oder Octenidin
0,1 Prozent (Kategorie-IA-Empfehlung). Beide Wirkstoffe werden auch für den
Verbandwechsel an ZVK, PVK und arteriellen Kathetern empfohlen (Kategorie IB).
Sterile Pflaster bzw. Gazeverbände, mit denen die Kathetereintrittsstelle nicht direkt
einsehbar ist, sollen nach sorgfältiger Händedesinfektion einmal täglich durch Betasten
untersucht und mindestens alle 72 Stunden gewechselt werden. Der routinemäßige
Wechsel eines ZVK oder PVK wird weiterhin nicht empfohlen. Ist ein ZVK-Wechsel
erforderlich, sollte ein mit Minocyclin/Rifampicin antibiotisch imprägnierter Katheter
erwogen werden (Kategorie-II-Empfehlung). Ein für den Stationsalltag sehr relevanter
neuer Aspekt ist die Empfehlung, einen Katheterhub, 3-Wege-Hahn oder NFC vor jeder
Manipulation zu desinfizieren (Kategorie IB). Dabei soll zusätzlich zur
Wischdesinfektion auch eine Sprühdesinfektion erfolgen.

Aktuelle Empfehlungen zur Flüssigkeits- und Ernährungstherapie kritisch
kranker Patienten

Die Inzidenz für schwere Sepsis oder septischen Schock auf Intensivstationen erreicht
11,6 Prozent und die Sterblichkeit dieser Patienten liegt bei 34 Prozent - im septischen
Schock, sogar bei über 50%.3 Vor diesem Hintergrund wies Prof. Gernot Marx,
Aachen, auf die Bedeutung der Flüssigkeitstherapie hin. Hierbei sollte der zentrale
Venendruck weder der Diagnose eines Volumenmangels noch der Steuerung der
Volumentherapie dienen. Stattdessen sieht die S3-Leitlinie „Intravasale
Volumentherapie beim Erwachsenen“ ein diagnostisches Lagerungsmanöver
(Trendelenburg-Position bzw. passives Anheben der Beine) vor.4 Marx betonte, dass
Patienten im septischen Schock initial Volumen benötigen: „Die Volumenmenge in den
ersten sechs Stunden sollte aufgrund der Studienlage zwischen vier bis fünfeinhalb
Liter liegen, zweieinhalb Liter sind häufig zu wenig.“ Eine restriktive Volumengabe
komme in der zweiten Phase der Volumentherapie in Frage.

Auf kochsalzbasierte Lösungen sollte in der Volumentherapie verzichtet werden, da
damit das Risiko für akutes Nierenversagen und folgende Nierenersatztherapie steigt.
Leitliniengerecht ist bei Intensivpatienten der Einsatz von kristalloiden Lösungen. Wenn
im septischen Schock nach ärztlicher Beurteilung für die Behandlung der Hypovolämie
Kristalloide allein nicht ausreichen, kommen zusätzlich Gelatine und Humanalbumin in
Frage, wobei es sich stets um balancierte Lösungen handeln sollte.

Für die Ernährungstherapie kritisch kranker Patienten empfiehlt die im Februar 2017
publizierte Leitlinie der europäischen Gesellschaft für Intensivmedizin die frühe
enteralen Ernährung.5 Vor diesem Hintergrund stellte sich für PD Dr. Michael Adolph,
Tübingen, die Frage nach dem Stellenwert der parenteralen Ernährung. Seiner Ansicht
nach ist es zunächst wichtig, alle Patienten, die auf die Station kommen, zu screenen
und ihren Ernährungszustand zu bewerten. Je höher das Risiko für Mangelernährung
entsprechend des NUTRIC-Score (Nutrition Risc in the critically Ill Score) ist, desto
größer ist auch das Sterblichkeitsrisiko. Nach Ansicht des Ernährungsmediziners sollte
mit einer enteralen Ernährungstherapie frühzeitig begonnen und nach 3–4 Tagen eine
supplementierende parenterale Ernährungstherapie ergänzt werden.

Eine Studie zum Vergleich von enteraler oder parenteraler Ernährung auf
Intensivstationen zeigt, dass es keine Unterschiede in Bezug auf das Überleben,
infektionsbedingte Komplikationen oder die Sterblichkeit innerhalb von 90 Tagen gibt.6
Nach diesen Ergebnissen kann parenterale Ernährung auch in der Frühphase einer
kritischen Erkrankung als Alternative oder als Supplement zur enteralen Ernährung
eingesetzt werden. Vermieden werden müsse so Adolph eine Überfütterung hinsichtlich
der Energie- und Glukosezufuhr. Die besten Ergebnisse lassen sich mit einer
Energiezufuhr von 70 Prozent des gemessenen Energieumsatzes erzielen. Der beste
Weg, um kalorische Ziele zu erreichen, besteht darin, den Energieumsatz zu messen
und dafür die indirekte Kalorimetrie einzusetzen, betonte Adolph mit Bezug auf eine
aktuelle Studie.7

Das Satelliten-Symposium wurde im Rahmen des Kongresses Intensivmedizin +
Intensivpflege 2017,Bremen, von der B. Braun Melsungen AG unterstützt.

1 Nationales Referenzzentrum für Surveillance von nosokomialen Infektionen (NRZ) (2011) Deutsche
Nationale Punkt-Prävalenzstudie zu nosokomialen Infektionen und Antibiotika-Anwendung 2011.
Abschlussbericht.
2 KRINKO-Empfehlung. Bundesgesundheitsbl 2017; 60: 140–142, 207–244
3 SepNet Critical Care Trials Group. Intensive Care Med 2016; 42: 1980–1989
4 Marx G et al. Eur J Anaesthesiol 2016; 33: 488–521
5 Reintam Blaser A et al. Intensive Care Med 2017; 43: 380–398
6 Harvey SE et al. N Engl J Med 2014; 371: 1673–1684
7 Zusman O et al. Crit Care 2016; 20: 367–375